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Collage mit Covern von Hannes Wader

Und es ist mir längst klar, daß nichts bleibt, wie es war! Heute vor 80 Jahren

Hannes Wader

* 23. Juni 1942

Lieder - Sonderausgabe, Juni 1982

cover

Umschlagfoto: Hansjörg Muder | Zweitausendeins | 1982

Eine Bilderbuchbiografie hat Hannes Wader nicht zu bieten. Als Arbeiterkind wurde er 1942 in der Gegend von Bielefeld geboren, absolvierte die Volksschule, wurde konfirmiert. Während seiner Lehrzeit als Dekorateur führte ihn sein Vater in das örtliche Mandolinenorchester ein, das dieser im Zuge der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung mitbegründet hatte. Ein Jahr nach der Lehre wurde das ungewöhnliche Startzeichen für das Dasein eines fahrenden Sängers gegeben: Hannes Wader erhielt seine Kündigung wegen Unfähigkeit, Streitsucht und Musizierens während der Arbeitszeit.
Der rausgeschmissene Dekorateur verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst als Klarinettist und Saxophonist in Jazzcombos und mit musikalischer Gelegenheitsarbeit...

Noten

Heute hier, morgen dort

Heute hier, morgen dort
Bin kaum da, muß ich fort
Hab' mich niemals deswegen beklagt
Hab' es selbst so gewählt
Nie die Jahre gezählt
Nie nach Gestern und Morgen gefragt!

Manchmal träume ich schwer
Und dann denk' ich es wär'
Zeit zu bleiben und nun
Was ganz And'res zu tun
So vergeht Jahr um Jahr
Und es ist mir längst klar
Daß nichts bleibt
Daß nichts bleibt, wie es war!

Daß man mich kaum vermißt
Schon nach Tagen vergißt
Wenn ich längst wieder anderswo bin
Stört und kümmert mich nicht
Vielleicht bleibt mein Gesicht
Doch dem Ein' oder Ander'n im Sinn!

Manchmal träume ich schwer
Und dann denk' ich es wär'
Zeit zu bleiben und nun
Was ganz And'res zu tun
So vergeht Jahr um Jahr
Und es ist mir längst klar
Daß nichts bleibt
Daß nichts bleibt, wie es war!

Fragt mich einer, warum
Ich so bin, bleib ich stumm
Denn die Antwort darauf fällt mir schwer
Denn was neu ist wird alt
Und was gestern noch galt
Stimmt schon heut' oder morgen nicht mehr!

Manchmal träume ich schwer
Und dann denk' ich es wär'
Zeit zu bleiben und nun
Was ganz And'res zu tun
So vergeht Jahr um Jahr
Und es ist mir längst klar
Daß nichts bleibt
Daß nichts bleibt, wie es war!

Ärger Wut

Aus aktuellem Anlaß - Stellungnahme

Im Juli 2018 schrieb Hannes Wader auf seiner Webseite: Aus aktuellem Anlass - ich weise absichtlich nicht darauf hin, um wen es sich dabei handelt - möchte ich noch einmal deutlich sagen, dass die Nutzung bzw. Schändung meiner Lieder in rechtsgerichteten Kontexten - seien es Nazis oder »besorgte Bürger« - selbstverständlich immer ohne mein Einverständnis und gegen meinen ausdrücklichen Willen geschieht.

Und das Gleiche geschieht auch bei Diaspora, Posts von mir werden von Verbreitern von Verschwörungstheorien, Falschinformationen und Rassismus weitergesagt, dies kann ich leider nicht verhindern, wenn ich die Schwurbler geblockt habe bekomme ich nicht mal eine Benachrichtigung. Ich weise daher, wie Hannes Wader darauf hin, wenn meine Posts zwischen irgendwelchen Schwurbeleien auftauchen, entspricht dies nicht meinen Ansichten und ich distanziere mich ausdrücklich von diesen Kontexten und stelle mich hinter alle Aussagen in Waders Lied von 2004:

Stellungnahme

Als erklärter Feind alter und neuer Nazis habe ich immer damit rechnen müssen, von ihnen beschimpft und bedroht zu werden. Aber derzeit geschieht etwas, was mich, als ich davon erfuhr, getroffen hat wie ein Stiefeltritt ins Gesicht: Neo-Nazis singen meine Lieder. Nein, das ist kein Witz. Neben Fassungslosigkeit und Zorn empfinde ich auch Scham darüber, dass sich meine Lieder offenbar, so wie sie sind, in das Gegenteil ihrer Bedeutung verkehren lassen, und im Dienste dessen missbraucht werden können, was ich auf dieser Welt außer Krieg am meisten verabscheue und fürchte: Nationalismus, Verfolgung Andersdenkender, Fremdenhass bis zur Mordgier.

Ist Stillschweigen klüger? Sich niemals beschweren?
Lieber Unrecht erleiden, um Streit zu vermeiden,
der für einen selbst vielleicht übel ausgeht?
Nein! Seiner Feinde muss man sich erwehren
Und sich klar entscheiden, auf welcher von beiden
Seiten - für alle Welt sichtbar - man steht.

Ich frage mich, ob ich es bisher in meinen Aussagen zu den Verbrechen der Rechtsradikalen in diesem Land an Deutlichkeit habe fehlen lassen. Vielleicht ist es so. Eine Tatsache ist es jedoch auch, dass es keine Wahrheit gibt, die, aus dem Zusammenhang gerissen, nicht zur Lüge verzerrt und auf den Kopf gestellt werden könnte. Aber kann ich es diesen Nazis denn nicht einfach - notfalls per Gerichtsbeschluss - untersagen, sich an meinen Liedern zu vergreifen? Nein, kann ich nicht. Es gibt kein Gesetz, dass es nur der Vernunft und der Menschlichkeit erlaubt, sich auf meine Lieder zu berufen - der Dummheit und Bösartigkeit dieses Recht aber verweigert.

Ist Stillschweigen klüger? Sich niemals beschweren?
Lieber Unrecht erleiden, um Streit zu vermeiden,
der für einen selbst vielleicht übel ausgeht?
Nein! Seiner Feinde muss man sich erwehren
Und sich klar entscheiden, auf welcher von beiden
Seiten - für alle Welt sichtbar - man steht.

Neo-Nazis singen meine Lieder. Ist das nicht auch eine Chance, mal mit ihnen zu reden? Sind es nicht oft ganz junge Leute ohne Zukunft; verführt, irregeleitet, von Familie und Staat im Stich gelassen, denen niemand zuhört? Mag sein. Aber mit welchen, noch so profunden Argumenten sollte ich diesen Jugendlichen gegenübertreten, die andere Menschen zusammenschlagen und ermorden, nur weil sie fremd aussehen. Nein, ich spreche nicht mit Nazis und den Mördern unter ihnen, von denen ich weiß, dass sie auch mich, ohne zu zögern aus einer Laune heraus, mitsamt meinen Liedern vernichten und dennoch meine Refrains grölen würden.

Ist Stillschweigen klüger? Sich niemals beschweren?
Lieber Unrecht erleiden, um Streit zu vermeiden,
der für einen selbst vielleicht übel ausgeht?
Nein! Seiner Feinde muss man sich erwehren
Und sich klar entscheiden, auf welcher von beiden
Seiten - für alle Welt sichtbar - man steht.

Sind diese rechtsextremen Gewalttaten denn nicht nur eine Zeiterscheinung, die irgendwann von selbst verschwindet, wenn man nur auf die in Jahrzehnten gefestigte demokratische Gesinnung des deutschen Volkes vertraut? Nein, ich vertraue überhaupt keinem Volk. Es ist diesem Volk, zu dem auch ich mich zähle, in 50 Jahren nicht gelungen, mit den alten Nazis fertig zu werden, es wird ihm mit den Neuen auch nicht gelingen. Was also soll ich tun? Wenn die Feigheit und Dummheit der Vielen nicht auszurotten ist, ist es der Mut, die Vernunft und die Menschlichkeit der Wenigen auch nicht. Daran werde ich mich halten und weiterhin meine Lieder singen.

Ist Stillschweigen klüger? Sich niemals beschweren?
Lieber Unrecht erleiden, um Streit zu vermeiden,
der für einen selbst vielleicht übel ausgeht?
Nein! Seiner Feinde muss man sich erwehren
Und sich klar entscheiden, auf welcher von beiden
Seiten - für alle Welt sichtbar - man steht.

Harrys pläne Collage

Vor 60 Jahren

Gründung des Schallplattenlabels pläne

Ohrwürmer für ein linkes Publikum Der Test funktioniert wahrscheinlich fast immer: Wer in die Plattensammlung eines links-alternativen, ökologisch- oder friedensbewegten westdeutschen Menschen zwischen 40 und 80 Jahren schaut - sofern diese noch vorhanden ist -, wird mindestens einen Tonträger des Labels pläne aus Dortmund finden. Vielleicht ist es Hannes Waders Album „Es ist an der Zeit", vielleicht die „neuen" Volkslieder von Zupfgeigenhansel, oder aber ein Exemplar eines Albums mit Kinderliedern von Fredrik Vahle; vielleicht finden sich auch die überwiegend instrumentalen Alben der Akkordeonistin Lydie Auvray.
taz

Harrys pläne (was noch da ist)

Winterlandschaft mit Eisläufern Fotobearbeitung

Hannes Wader - Mit Eva auf dem Eis

Album: Nach Hamburg, 1989

cover

Nur manchmal dringt der Lärm der Stadt verloren
Als weit entferntes Rauschen übers Eis
Der Schnee ist frisch, die Alster zugefroren,
Und tief am Himmel steht die Sonne kalt und weiß
Es drängen sich am Ufer um die Stände
Die Schlittschuhläufer und noch viel zu heiß
Zum Trinken, wärmt der Glühwein unsre Hände -
An diesem Tag mit Eva auf dem Eis

Ich wollte auch durch and're Jahreszeiten
Mit ihr noch zu so vielen Orten geh'n
Im Jenischpark, im Frühling, mit dem weiten
Blick vom Hügel auf die Elbe seh'n
An heißen Sommertagen sogar in ihr baden
Nur sekundenlang und nur den großen Zeh -
Im Herbst vielleicht zu Bartels Zauberladen
Draußen an der Wandsberker Chaussee

Nun, es ist daraus dann nichts geworden
Sie wollte einfach fort um jeden Preis
Fort aus dieser kühlen Stadt im Norden -
Fort aus dem Trott, dem ewig selben Gleis
Viel Glück! Ob sie nach all den Jahren
Noch immer an mich denkt? - Wer weiß!
Ich erinn're mich gern an den kalten, klaren
Wintertag mit Eva auf dem Eis

Ich erinn're mich gern an den kalten, klaren
Wintertag mit Eva auf dem Eis

Hannes Wader - Es ist an der Zeit (1980)

Musik: Eric Bogle, deutscher Text: Hannes Wader

Weit in der Champagne im Mittsommergrün
Dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh'n
Da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht
Im Wind, der sanft über das Gräberfeld streicht
Auf deinem Kreuz finde ich toter Soldat
Deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat
Die Zahl neunzehnhundertundsechzehn gemalt
Und du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt

Ja, auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
Deine Kraft, Deine Jugend, Dein Leben

Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?
Sicher nicht, denn nur dort, wo es Frieden gibt
Können Zärtlichkeit und Vertrauen gedei'n
Warst Soldat, um zu sterben, nicht um jung zu sein
Vielleicht dachtest du Dir, ich falle schon bald
Nehme mir mein Vergnügen, wie es kommt, mit Gewalt
Dazu warst du entschlossen, hast dich aber dann
Vor dir selber geschämt und es doch nie getan

Ja, auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
Deine Kraft, Deine Jugend, Dein Leben

Soldat, gingst du gläubig und gern in des Tod?
Oder hast zu verzweifelt, verbittert, verroht
Deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluß?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuß?
Oder hat ein Geschoß Dir die Glieder zerfetzt
Hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt
Bist Du auf Deinen Beinstümpfen weitergerannt
Und dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?

Ja, auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
Deine Kraft, Deine Jugend, Dein Leben

Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur
Von deinem Leben, doch hör' meinen Schwur
Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein:
Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein
Dann kann es gescheh'n, daß bald niemand mehr lebt
Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt
Doch finden sich mehr und mehr Menschen bereit
Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit