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Heute vor 75 Jahren

Konstantin Wecker

* 1. Juni 1947

Das Konstantin Wecker-Buch

Konstantin Wecker im Gespräch mit Bernd Schroeder
rororo | 1983 | ISBN: 9783499152726 ))

Genug ist nicht genug,
ich laß mich nicht belügen.
Schon Schweigen ist Betrug,
genug kann nie genügen.



Vorwort: «Der Inhalt meiner Lieder bin ich selbst», sagt Konstantin Wecker in einem Interview. Der Inhalt dieses Buches ist er selbst, könnte ich an dieser Stelle sagen. Und das wäre Vorwort genug. Ich habe heute an Passagen des 10. Kapitels geschrieben. Unter der Überschrift Weckerleuchten geht es um die Frage: «Für wen schreibt Wecker?» Die Frage scheint töricht, und doch ist sie legitim, da sie an einen gestellt ist, der sich nicht einmal eine Fahne gewählt hat, um sie nun eine liebe Karriere lang den Fans um die Ohren zu wedeln. Wecker verändert sich ständig. Er bleibt nicht stehen. Er «stellt» sich heute «gegen den Wind» und «rennt» morgen «jungen Hunden hinterher». Er ist Herz, Kopf und Bauch, und das eine kann ohne das andere nicht sein. Den rahmt man sich nicht ein, denn ehe man sich's zur Betrachtung gemütlich gemacht, ist er schon wieder weg. Mit ihm muß man mitgehen oder ihn ziehen lassen. Wecker ist Unruhe, Widerspruch, Widerstand: er ist Bewegung, die sich bürgerlicher Kontrolle entzieht; er ist aber auch Genuß, Liebe, Zärtlichkeit, Menschlichkeit schlechthin. Wecker-Fans sieht man in Konzerten weinen und die Faust ballen. Das liegt bei ihm so nahe beisammen. Und er vermittelt es mit all seiner Kraft. Das letzte Kapitel dieses Buches ist nicht das letzte Kapitel im Leben des Konstantin Wecker. Darum ist dieses Buch nicht Biographie oder Fazit, sondern Bestandsaufnahme und Zwischenbilanz. Wir beide - er Musiker und Dichter, ich Journalist und Schriftsteller - haben lange Gespräche geführt. Wir erfüllen darin nicht Chronistenpflicht, sondern versuchen, Zusammenhänge zwischen Erlebtem und Geschriebenem aufzuspüren. Die Texte folgen dem Verlauf dieses Gespräches; ebenso die Bilder - von Alexander Wecker, dem Vater, ausgesucht. Mir hat die Arbeit an diesem Buch etwas bestätigt, das ich schon seit Jahren glaube: Konstantin Wecker ist einer der ganz Großen, eine absolute Ausnahmeerscheinung in der Liedermacherszene, wenn man ihn schon dort einordnet. Andere haben ihn schon mit Bob Dylan verglichen. Der Vergleich muß Konstantin bange und mutig zugleich machen. Mit seinen Vorbildern, Goethe, Benn, Rilke, Orff - um nur einige zu nennen - hat er's leichter, er braucht nicht neben ihnen zu stehen. Bewundern ist einfacher als sich messen. Konstantin Wecker - wie könnte es anders sein - führt ein sehr eigenwilliges, abwechslungsreiches Künstlerleben. Da gibt es die Gruppe, das Team Musikon, Haus und Studio in der Toscana, Konzerttourneen durch die deutschsprachigen Länder, Arbeitswut-Phasen und Ausbrüche. Ein Leben, das nicht ohne Widersprüche ist. Davon will dieses Buch erwas vermitteln; aber auch von der Sinnlichkeit und Lust, dem Sichselbsteinbringen und der ungeheuren künstlerischen Gewalt des Konstantin Wecker. Vom Vorwort zum Wort: «Das Wort muß eine Faust sein, kein Zeigefinger: Zuschlagen. Treffen.» (Wecker 1977)
Für wen ich dieses Buch geschrieben habe? Für alle, die nicht den Kopfeinziehen.

Bernd Schroeder

Freiheit

Konstantin Wecker - Willy 2015

Freiheit hoaßt koa Angst habn, vor neamands

Album: Ohne Warum 2015 cover

Mei Willy, jetzt is wieder ganz schön was los hier bei uns und ich muss dich unbedingt noch einmal stören, nachdem ich mich über zehn Jahre nicht mehr zu Wort gemeldet hab.

Vielleicht bin ich ja zu hellhörig und ich hör die Flöhe husten, aber ich hab Angst, dass wir - hundert Jahre nach dem ersten Weltkrieg - wieder kurz vor einem neuen großen Krieg stehen.

Woasst es no, 68 war des, wo wir miteinander gegen den Krieg demonstriert haben, mei wia lang is des her. Fast a halbs Jahrhundert!

Damals san bloß de Amis in Vietnam g'standen, heit stehn wir Deutschen fast überall auf der Welt mit unsere Soldaten. I hätt's ja nicht geglaubt, dass´ wieder so weit kommt mit Deutschland.

Aber die Zeichen stehen auf Aufrüsten, und da hat wohl eine gewaltige Lobby ein gewaltiges finanzielles Interesse dran.

Kaputt machen, wieder aufbauen, neue Märkte, neue Waffen, neue Särge, neues Geld - das ist nun mal der Hauptantrieb unseres völlig kranken Wirtschaftssystems.

Die Medien manipulieren wie schon lange nicht mehr und was gut ist und böse, richtig und falsch wird uns wie eine bittere Medizin tagtäglich eingeflößt.

Und unsere Regierung? Die GroKo? Die schert sich wie gewohnt einen Dreck um das, was wir wollen.

Wenn die alle Leut´ fragen würden ob sie einen Krieg wollen, was glaubst du würden die Leut´ sagen?

Aber sie fragen nicht, sondern erklären uns, dass diesmal Deutschland statt am Hindukusch auf der Krim verteidigt wird.

Und sie wissen genau: Wiederholungen sind mächtiger als die Wahrheit, weil Menschen nun mal falscher Kriegspropaganda mehr Glauben schenken, je öfter sie die hören.

Mei Willy, manches bleibt erschreckend aktuell, woaßt as no, 1992 hab i gsungen:

Gestern habns an Willy daschlagn,
und heit und heit und heit und heit fangt des ois wieder an.

Und die Friedensbewegung?

Statt dass sich Hunderttausende gegen den drohenden Wahnsinn erheben, laufen sie in Scharen irgendwelchen völkischrassistischen Schwachköpfen und Möchtegernadolfs hinterher und kämpfen gegen die Islamisierung des Abendlandes.

Vor allem in Dresden, dieser schönen Stadt Erich Kästners, einer Stadt mit gerade mal 2,2 Prozent Ausländeranteil - diese Pegidisten sollten eher Angst haben vor einer Idiotisierung des Abendlandes.

Es wäre ja gut, wenn so viele auf die Straße gehen und sich empören, das gehört zum Wesen der Demokratie - aber bei Pegida machen es sich die Menschen zu einfach. Sie sind nicht bereit oder einfach nicht fähig, den wahren Gründen auf die Schliche zu kommen. Stattdessen sucht man sich die Ärmsten der Armen, um einen Schuldigen zu finden: die Flüchtlinge. Und dann wird da noch unterschieden zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Als ob die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge nicht deswegen vor Hunger und Not fliehen, weil auch wir sie mit unserem Wirtschaftssystem und unserem Wohlstand in die Armut getrieben haben.

Aufklärung ist das Gebot der Stunde!

Den wahren Ursachen müssten sie auf den Grund gehen. Schon seit langem frage ich mich, weshalb es nicht jedem klar denkenden Menschen offensichtlich ist, dass jemand, der sich bereichert, weil er aus Geld mehr Geld macht, schlicht zu den Strauchdieben unserer Gesellschaft zählt, weshalb es auch eine Riesensauerei ist, die Armen, die Flüchtlinge, die Arbeitslosen und wen auch sonst noch mit derartigen Vorwürfen zu überziehen, gipfelnd in Entmenschlichungsvokabeln wie Schmarotzer oder Parasiten.
Nennen wir sie daher ruhig beim Namen, diese wirklichen Wegelagerer: es sind die Finanzspekulanten, die das Geld als Waffe benutzen, um anderen, den arbeitenden Menschen, das eigentlich wohlverdiente Geld zu klauen.

Gestern habns an Willy daschlagn,
und heit und heit und heit und heit fangt des ois wieder an.

Gestern habns an Willy daschlagn,
und heit und heit und heit und heit fangt des ois wieder an.

Du woaßt as Willy, i war immer Pazifist und da hat mas nicht leicht in diesen Zeiten.

PazifistInnen wurden und werden gerne verlacht, verspottet, beschimpft und beleidigt.

Man wirft uns Naivität vor. Na und? Lieber naiv als korrupt. Lieber seh ich die Welt mit Kinderaugen als mit den verblendeten Augen der Macht und der Gier. Wir sind angeblich feige, wir sollen Weicheier sein. Fragt sich, wie tapfer und harteiig es ist, andere für das eigene Wohlbefinden auf das Schlachtfeld zu schicken.

Sollen doch all die harten Männer spotten und schimpfen. Mein sanfter Vater hatte unter der Schreckensherrschaft Hitlers den Kriegsdienst verweigert. Und ich bin es seinem Andenken schuldig, nicht aufzugeben.

Ich möchte nicht, dass die Stimme des Pazifismus verlorengeht in einer Zeit des erneuten Säbelrasselns. Ich verstehe mich auch nicht einfach nur als ,,friedensbewegt" - nein, ich bin radikaler: Ich bin Pazifist und Romantiker, Träumer und Barde und ich glaube weiter an die Kraft der gewaltfreien Veränderung. Ungehorsam ist gefragt, Willy, Ungehorsam! Wir sollten Schulen des Ungehorsams gründen, um ein Gegengewicht zu schaffen gegen die Gehorsamsschulen des Militärs. Und zuallererst müssen wir PazifistInnen uns gegen die Nebelkerzen wehren, mit denen wir täglich beschossen werden.

Aber wenn sich der Nebel endlich gelichtet hat, sind wir dann auch bereit, aufzustehen? Was wäre, wenn der Friede kein Wunder bräuchte, sondern eine Revolution?

Ja - eine Revolution, Willy. Denn bei Heckler & Koch und Co knallen angesichts der weltweiten Kriege doch schon die Champagnerkorken an die Lüster.

Wir bräuchten wieder einen wie dich Willy.

Einen wie dich, einen der sein Maul aufmacht und schreit: ,,Halts Mei Faschist. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg."

Aber i woaß, einige machen weida Willy, und die werden auch mehrer werdn, so wie du gesagt hast:

"Ma muass weiterkämpfen, weiterkämpfen, a wenn die ganze Welt an Arsch offen hat."

Gestern habns an Willy daschlagn,
aber heit, aber heit aber heit, heit halt ma zsamm.

Gestern habns an Willy daschlagn,
und heit, und heit und heit und heit halt ma zsamm.

Konstantin Wecker - Den Parolen keine Chance

Den Parolen keine Chance
lasst sie nicht ans Tageslicht
lasst sie in den Grüften modern
öffnet ihre Gräber nicht

Volk, Nation und Vaterland
sind ihr krudes Kampfgebrüll
alles was dadurch verbrochen
war doch längst entsorgt im Müll.

Wenn sie jetzt den Menschenfängern
wieder aus den Mäulern sprudeln
lasst sie ungehört verdorren
lasst euch nicht dadurch besudeln.

Kriege mit Millionen Toten
haben sie uns eingebracht
Folter, Mord und Diktaturen -
Siegeszug brutaler Macht.

Nein ich hör nicht auf zu träumen
von der herrschaftsfreien Welt
wo der Menschen Miteinander
unser Sein zusammenhält.

Lasst uns jetzt zusammen stehen
es bleibt nicht mehr so viel Zeit,
lasst uns lieben und besiegen
wir den Hass durch Zärtlichkeit.

Nennt mich gerne einen Spinner,
Utopisten und naiv,
doch ich will nicht akzeptieren
was da aus dem Ruder lief.

Es gibt sicher schön're Lieder
wohlgefällig ausgedacht
doch ich glaube, hin und wieder
ist ein Aufschrei angebracht.

Ja, ich hab's schon oft besungen
doch ich wiederhol' mich gern
damals war das Schreckgespenst
zwar bedrohlich, doch noch fern

aber jetzt sind die Gespenster
wieder mal aus Fleisch und Blut
und es darf nicht mehr erwachen
was in ihnen drohend ruht!

Nein, ich hör nicht auf zu träumen
von der herrschaftsfreien Welt
wo der Menschen Miteinander
unser Sein zusammenhält.

Lasst uns jetzt zusammen stehen
es bleibt nicht mehr so viel Zeit,
lasst uns lieben und besiegen
wir den Hass durch Zärtlichkeit.

Das Konstantin Wecker-Buch
 Isbn: 9783499152726 |  rororo | 1983

Konstantin Wecker - Was man sich merken muß

Hinterausgänge, am besten überwachsene, uneinsichtige,
solche, die man direkt vom Keller aus erreichen kann
(wobei hier der romantische Aspekt weniger zu berücksichtigen ist
als der zweckmäßige der schnellen Flucht).

Gute Freunde, unkontrollierte und noch nicht registrierte,
die im Parterre wohnen und eines ihrer Fenster immer angelehnt lassen.
Ferner: daß dieses Knacksen in der Telefonleitung
immer seltener auf eine normale Störung zurückzuführen ist.

Daß bestimmte Gespräche mit guten Bekannten in Kneipen
am besten leise oder besser nicht in Kneipen
oder höchstens in bestimmten Kneipen geführt werden sollten.

Flußläufe und Parks sind weniger zu beachten,
dagegen wäre es gut einen exakten Plan der städtischen
Kanalisation mit sich zu führen.

Auch sollte man sich merken,
daß heftiges Pochen an der Tür meistens nicht den Besuch
gutgelaunter
Freunde verkündet,
doch was man sich vor allem merken muß:
Irgendwann hat es keinen Sinn mehr,
sich zu verstecken.

Dann:
Kein Ticket nach Übersee,
sondern hierbleiben.
Brüllen.
Widerstehn.