Heute vor 100 Jahren
Bernt Engelmann
* 20. Januar 1921 † 14. April 1994
Einig gegen Recht und Freiheit - Deutsches Anti-Geschichtsbuch 2. Teil
Fischer Taschenbuch Verlag | 1978 | ISBN: 9783596218387
Der Reichspräsident: Paul v. Hindenburg war indessen nicht bloß ein einfallsloser Gamaschenknopf, recht bornierter Militär und, was Treuepflichten betraf, nur an denen seiner Untergebenen zu ihm, nicht umgekehrt, interessierter Vertreter des autoritären Obrigkeitsstaats-Gedankens; er hatte auch - in dieser Hinsicht ganz ähnlich wie Bismarck - die von keinen Skrupeln geplagte Vorstellung, daß er ein Junker sei und davon seinen Vorteil haben müsse. Seit seinem 80. Geburtstag im Jahre 1927 zählte er zu den ostelbischen Großgrundbesitzern. Unter Führung des erzkonservativen Multimillionärs Elard v. Oldenburg-Januschau, Mitglied der deutschnationalen Reichstagsfraktion, hatten die Großagrarier Pommerns und Ostpreußens unter sich und bei der Schwerindustrie einen Millionenbetrag gesammelt und ihrem zum Staatsoberhaupt gewählten Standesgenossen zu dessen Jubelfest das ostpreußische Schloß und Rittergut Neudeck geschenkt, das der Stammsitz derer v. Beneckendorff und v. Hindenburg war. Schon dieses Millionengeschenk und seine Annahme durch den amtierenden Reichspräsidenten ließ die Unbekümmertheit erkennen, mit der sich Hindenburg und seine aristokratischen Freunde über gesetzliche Bestimmungen und gute Sitten hinwegsetzten; jeder Amtsvorsteher oder Lehrer, der sich von Dorfhonoratioren oder begüterten Eltern ein paar hundert Mark zum Geburtstag hätte schenken lassen, wäre dafür bestraft worden. Ebert war monatelang von der gesamten Rechtspresse mit Verleumdungen überschüttet worden, weil er einmal von Geschäftsleuten, die in keiner direkten Beziehung zu ihm standen, einen Frühstückskorb ins Haus geschickt bekommen hatte, der zudem postwendend an die Absender zurückgesandt worden war. Eberts Nachfolger, v. Hindenburg, nahm ein ungleich wertvolleres Geschenk nicht nur bedenkenlos an, obwohl er genau wußte, daß die edlen Spender sehr konkrete Vorstellungen von den Gegenleistungen hatten, die sie dafür erwarteten; er ließ es als Reichspräsident sogar zu, daß mit dem von ihm gern angenommenen Geschenk eine Steuerhinterziehung verbunden war: »In Anbetracht des hohen Alters Eurer Exzellenz«, hatte ihm dazu Elard v. Oldenburg-Januschau, Hindenburgs neuer Gutsnachbar, augenzwinkernd erklärt, habe man Neudeck pro forma auf den Namen des Präsidentensohns Oskar ins Grundbuch eintragen lassen; so würde der Staat später keine Erbschaftssteuer kassieren können.