Heute vor 100 Jahren
Hanns Dieter Hüsch
* 6. Mai 1925 † 6. Dezember 2005
Interzitty
Das schwarze Schaf vom Niederrhein, Texte und Lieder vom flachen Land, 1986
Ick bön de Kerl de gern Poet wär aber ich komm höchstens dazu mir son Butterblum int Knopfloch zu stecken damit ich wenigstens son poetisch Gefühl hab un vielleicht de verlorene Sohn von Walt Whitman sein könnt Aber wehe wenn Se in sonne Verfassung in ne Interzitty Zuch geraten wo all die sortierte Brüder rumlaufen die so Köfferkes haben mit son Stahlbeschlach drumerum un immer so fein genoppte Jacken anhaben da trau ich mich stundenlang nich in de Speisesaal da sitz ich lieber in mein Eck un eß mir en Stück Schokolad oder les mein Lieblingsdichter Jessenin der sich glaub ich erschossen hat un de eine Schweizer Robert Walser mit Namen de verrückt geworden is oder ich guck et Fenster raus damit ich all die Gespräche nicht hör aber ich hör se doch all: Schröder geht jetzt für 11000 nach Augsburg dafür kommt Lindemann nach Bremerhaven in die ein Zweichstell die jetzt angekurbelt werden muß weil Steigerwald ja als Einkaufsleiter zu Klettmann & Söhne gegangen is für 9000 brutto dat heißt da muß en länger zurückliegende Absprach mit Schuster von Süßwaren-Süd mit im Spiel gewesen sein sonst wär Schröder ja damals schon gleich allerdings nur für 8 000 nach Augsburg gegangen wann können Se denn die Schrauben liefern dat muß demnächst dann nochmal detailliert wenn Kremer zurück is aus Wien besprochen un auf Vordermann gebracht werden für 12000 zuzüglich Provision Empfehlung zu Hause Ich weiß gar nich wat dat is Empfehlung zu Hause aber dat sagen die immer wenn se sich verabschieden Empfehlung zu Hause Aber auch da glaub ich gibbet manchmal Leut die nich mehr ein noch aus wissen un dafür dann wertvolle Platten sammeln un kostbare Bilder un alte Uhren un all sowatt oder sich wie de Jessenin aussem Staub machen oder wie de Robert Walser nach Herisau in en Heim gehen weil se en Schraubenschlüssel schließlich für en Butterblum halten halten müssen un umgekehrt Früher hab ich immer gemeint ich müßt denen all bös sein Aber ob et nun all de angelesene Kram is oder de ganze Wirtschaftsklüngel wir haben doch all de Ewigkeit im Nacken un Haß is nich mein Brot Jaaa ich bön de Kerl de gern Poet wär oder auch nur Literat dann säß ich immer int Kaffeehaus wie früher de Jacob van Hoddis un de Alfred Lichtenstein de eine wurd ja deportiert un de andre is ja schon im 1. Weltkrieg gefallen Ma gucken wer fetz in Mannheim wieder aussteigt un wieder einsteigt vielleicht wird dann de Speisewagen en bißken leerer un ich kann rasch en Bier trinken gehen