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Sage nein!

Sage Nein!

Konstantin Wecker - Uferlos, 1993

Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
wieder Nazi-Lieder johlen,
über Juden Witze machen,
über Menschenrechte lachen,
wenn sie dann in lauten Tönen
saufend ihrer Dummheit frönen,
denn am Deutschen Tresen
muß nun mal die Welt genesen,
dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!

Meistens rückt dann ein Herr Wichtig
die Geschichte wieder richtig,
faselt von der Auschwitzlüge,
leider kennt man´s zur Genüge -
mach dich stark und misch dich ein,
zeig es diesem dummen Schwein:
Sage nein!

Ob als Penner oder Sänger,
Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer,
Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert,
sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!

Und wenn aufgeblasne Herren
dir galant den Weg versperren,
ihre Blicke unter Lallen
nur in deinen Ausschnitt fallen,
wenn sie prahlen von der Alten,
die sie sich zu Hause halten,
denn das Weib ist nur was wert
wie dereinst - an Heim und Herd,
tritt nicht ein in den Verein:
Sage nein!

Und wenn sie in deiner Schule
plötzlich lästern über Schwule,
schwarze Kinder spüren lassen,
wie sie andre Rassen hassen,
Lehrer, anstatt auszusterben,
Deutschland wieder braun verfärben,
hab dann keine Angst zu schrein:
Sage nein!

Ob als Penner oder Sänger,
Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer,
Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert,
sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!

Ob als Penner oder Sänger...

Sag nein!

Sag nein!

Sag nein!

Michael Krüger - Tintenfisch 17 Bücher

Thomas Bernhard - Der deutsche Mittagstisch
Tintenfisch 17 Jahrbuch: Deuttsche Literatur 1979, Verlag Klaus Wagenbach, 1979

Eine Tragödie für ein Burgtheatergastspiel in Deutschland
Herr und Frau Bernhard, ihre Töchter, ihre Söhne, ihre Enkel, ihre Urenkel und deren engste Verwandte, achtundneunzig Personen um einen kleinen, nicht ganz runden Mittagstisch. Eiche natur.
HERR BERNHARD aufbrausend
    Ihr müßt euch Zeit nehmen
FRAU BERNHARD
    Die Zeit nehmen
HERR BERNHARD
    Zum essen
    Denkt an eure Mutter
    und an die Mutter der Mutter eurer Mutter
Alle außer Herr und Frau Bernhard schauen sich an
FRAU BERNHARD
    Die Revolution wird euch alle vernichten
    dann habt ihr eine solche Suppe wie diese nicht mehr
DER JÜNGSTE DER URURENKEL schreit auf
    Keine einzige Kartoffel mehr
DER ÄLTESTE DER URURENKEL
    Keine einzige Kartoffel mehr
    in ganz Deutschland
FRAU BERNHARD heiser
    Weil die Krebsfürsorge alles aufgefressen hat
HERR BERNHARD
    Und die Nato
    AWACS
FRAU BERNHARD
    Daß ihr mir nicht laut sagt
    was wir gesagt haben
    fragt: Ist die Suppe nicht gut
Alle nicken
DER ZWEITÄLTESTE URENKEL (nicht Ururenkel!)
    Der neue Bundespräsident ist ein Nazi
DER DRITTÄLTESTE URURENKEL (nicht Urenkel!)
    Und der alte Bundespräsident war auch ein Nazi
DER ÄLTESTE ENKEL
    Die Deutschen sind alle Nazi
FRAU BERNHARD
    Hört auf mit der Politik
    eßt die Suppe
HERR BERNHARD springt auf
    Jetzt hab ich aber genug
    In jeder Suppe findet ihr die Nazis
    Diese Suppe eß ich nicht
schlägt mit den Händen in den noch vollen Suppenteller und schreit
    Nazisuppe
    Nazisuppe
    Nazisuppe
FRAU BERNHARD ist aufgesprungen und schreit und zeigt mit dem Zeigefinger auf die Hose des Herrn Bernhard
    Da seht
    er hat seine Nazihose an
    die Nazihose hat er an
DER ÄLTESTE URENKEL schreiend
    Die Nazihose
    die deutsche Vaternazihose
FRAU BERNHARD sinkt in ihren Stuhl zurück und schlägt die Hände vors Gesicht
    Wie ich mich schäme
    Mein Gott
    Mein Gott grüßgott wie ich mich schäme
    Wie Scheel
    wie Scheel
    wie Scheel
DIE JÜNGSTE URENKELIN laut
    Und wie Carstens
    und wie Carstens
FRAU BERNHARD
    Muß das sein
HERR BERNHARD
    Es ist immer das gleiche
    kaum sitzen wir bei Tisch
    an der Eiche
    findet einer einen Nazi in der Suppe
    Diese Suppe eß ich nicht
    und statt der guten alten Nudelsuppe
    bekommen wir jeden Tag die Nazisuppe auf den Tisch
    lauter Nazis statt Nudeln
FRAU BERNHARD
    Mein lieber Mann
    hör mich an
    wir bekommen in ganz Deutschland keine Nudeln mehr
    nur noch Nazis
    ganz gleich wo wir Nudeln einkaufen
    es sind immer nur Nazis
    ganz gleich was für eine Nudelpackung wir aufmachen
    es quellen immer nur noch Nazis heraus
    und wenn wir das Ganze aufkochen
    quillt es fürchterlich auf
    Diese Suppe eß ich nicht
    Ich kann nichts dafür
Alle werfen ihre Suppenlöffel hin
DER JÜNGSTE URENKEL
    Laßt doch die Mutter in Ruhe
FRAU BERNHARD mit dem Gesicht in der deutschen Mutterschürze, kleinlaut
    Schließlich habt ihr ja alle
    den Nazionalsozialismus mit dem Löffel gegessen
Alle stürzen sich auf die Frau Bernhard und erwürgen sie. Der älteste Urenkel schreit in die Stille hinein
    Mutter

ENDE

Rosen auf den Weg gestreut

Text: Kurt Tucholsky unter Theobald Tiger in Die Weltbühne, 31. März 1931

Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht - sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!

Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft -:
Küßt die Fascisten, wo ihr sie trefft!

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen - aber gern!
Hier habt ihr mich - schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.

Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Fascisten, wo ihr sie trefft!

Und schießen sie -: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?

Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,
gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen…

Und verspürt ihr auch
in eurem Bauch
den Hitler Dolch, tief, bis zum Heft -:

Küßt die Fascisten, küßt die Fascisten,
küßt die Fascisten, wo ihr sie trefft -!