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Zeitungsmeldungen

Jura Soyfer - Die Ordnung schuf der liebe Gott, Reclam,1977

Es braust ein Ruf wie dazumal
In allen deutschen Gauen!
Deutschlands Stationschef gibt Signal
Zur fröhlichen Fahrt ins Grauen.
Es gibt Spione, die Gift verstreun
Am Brunnen vor dem Tor.
Und gar in puncto >Wacht am Rhein< -
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
So ruhig wie nie zuvor!
Wir wollen uns siegreich ins Stahlbad stürzen!
Stammt diese Meldung vom Jahre vierzehn?
Fehlgeraten! Die Nachricht wird
Vom Jahre dreiunddreißig datiert.

Von neun guten Deutschen sind durchschnittlich acht
Soldaten, und der letzte,
Der für die Front nicht kommt in Betracht,
Der ist der Vorgesetzte ..
's ist höchste Zeit, daß die große Zeit
Über Deutschland komme!
Der gute Deutsche ist bereit
Zu kämpfen mit Beharrlichkeit
Um seinen Platz an der Somme!
Schwarzweißrot sind Fahnen und Schürzen ...
Stammt diese Nachricht vom Jahre vierzehn?
Fehlgeraten! Die Meldung wird
Vom Jahre dreiunddreißig datiert.

Der nationale Stiefel gellt
Im Rundfunk, auf der Straße!
Der Führer ruft hinaus in die Welt:
Der Freiheit eine Prügelgasse!
Man machte in Elbing zwei Rote kalt
(Man hat auf der Flucht sie erschossen),
Der eine lief weiter beim Zuruf: Halt!
Der andre (war schon doof und alt)
Blieb stehn wie angegossen ...
Stammt die Meldung vom Balkan?
Gestern kam sie aus Deutschland an ...

Es tönt aus dem Rundfunk zum erstenmal
Über Land und Stadt:
Schluß mit Faschismus und Kapital!
Am Wort ist das Proletariat!
Uns macht kein Friedensversprechen mehr dumm
Und kein Offiziersehrenwort!
Achtung, wir reißen das Steuer herum,
Die Menschlichkeit geht über Bord!

Würde die Meldung von achtzehn stammen,
Wären wir wie sie so hart
Gewesen, als wir an die Reihe kamen,
Hätten wir uns Herrn Hitler erspart ...

Genossen vom Reich! Wann ruft ihr Halt“!?
Datiert die Meldung auf möglichst bald!

Erich Kästner - Die andere Möglichkeit

So weit die scharfe Zunge reicht

Klaus Budzinski, Die Anthologie des deutschsprachigen Cabarets, Scherz Verlag, 1964

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus.

Man würde uns nach Noten zähmen
wie einen wilden Völkerstamm.
Wir springen, wenn Sergeanten kämen,
vom Trottoir und stünden stramm.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wären wir ein stolzer Staat.
Und preßten noch in unsern Betten
die Hände an die Hosennaht.

Die Frauen müßten Kinder werfen.
Ein Kind im Jahre. Oder Haft.
Der Staat braucht Kinder als Konserven.
Und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wird der Himmel national.
Die Pfarrer trügen Epauletten.
Und Gott wär deutscher General.

Die Grenze wär ein Schützengraben.
Der Mond wär ein Gefreitenknopf.
Wir würden einen Kaiser haben
und einen Helm statt einem Kopf.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wäre jedermann Soldat.
Ein Volk von Laffen und Lafetten!
Und ringsherum wär Stacheldraht.

Dann würde auf Befehl geboren.
Weil Menschen ziemlich billig sind.
Und weil man mit Kanonenrohren
allein die Kriege nicht gewinnt.

Dann läge die Vernunft in Ketten.
Und stünde stündlich vor Gericht.
Und Kriege gäb's wie Operetten.
Wenn wir den Krieg gewonnen hätten -

Zum Glück gewannen wir ihn nicht!

Joachim Ringelnatz - Es war eine Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nußbaum gerochen
Die Dose erzählte ihm lang und breit.
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann
“Was geht mich Friedrich der Große an!”